9. Praha, 26. 11. 1735


Ihro Gnaden
Hoch- und Wohlgebohrner Reichs Graff

Gnädiger herr herr Vatter.

1Auß dem an dem hoffmeister erlassenen schreiben
habe ich in Unterthänigkeit Vernohmen, wie grosse
Freude Ihro Gnaden über Meine Genesung geheget,
will also Ihro Gnaden mit gegenwärtigen blat Vor
sogetane/solche grosse erzeigte gnaden Untertänigsten dank
abstatten, und gleichmäsßig bitten mich fernershin
in hochen Väterlichen gnaden zu behalten. die augen,
wie ich schon den 23.ten Ihro Gnaden der frau Mutter berichtet,
seynd, gott seye höchster dank, in Vorigen guten stande,
wie ich auch sonsten Keine gelassene denkmahlen, ausser
etwelchen wenigen maasen, so mir in gesicht bleiben durfften,
Verspühre. Nun Komme ich Ihro Gnaden bitten mir doch das hier



Verbleiben gnädigst zu Verstatten, und die dazue be-
wegliche Ursachen anzuziehen zu erlauben. Erstlich sagen
die vier doctores, so mich kuriert haben, einhellig, das sofern ich disen
winter Reisen wurde, so wurde ich die Rothen Flecken wegen offt-
mähligen den ganzen Tag auff der Kälte Verbleiben, ich nicht
Verliehren; sie Können das auß Keinem Interesse sagen, dan sie
mich schon alle Verlassen haben, der ordinarius Komt nur alle 3
Täg, zusehen, wie sie abfallen, und diese flek wurden allererst
über das jahr Vergehen. Wan Ihro Gnaden gnädigst erwegen,
das es als dan der tieffeste winter seyn werde, so ersehen hochdie-
selbe selbsten, das es eine wohl höchst beschwehrliche sach seyn wurde,
indeme ich erstlich den ganzen Tag auf der Kälte seyn müste,
so ich Vor einen jahr in Meiner Reiß auf Würzburg, von Re-
gensburg
aus bis dahin empfindlichst erfahren habe, das ich auch
den ganzen winter mit gefrorenen füssen herumgegangen bin.
Solte es gefroren seyn, so ist es nach Neuen Jahr wahrhafftig zu Kalt,
da es zuweilen etliche Täg dauret; ist es aber laulichtes wetter,
so seynd die weege grundlos, absonderlich in dem Preusßischen,
hannovrischen, und dorten herum, wie Ihro Gnaden wohl öffters ge-
hört, oder es zu einer noch bessern jahrs zeit Villeicht selbst werden er-
fahren haben, und da fahrt man das Tags mit 6 pferden höchstens
zwey Posten, wie wir es zwischen Regenspurg, und Nürnberg erfahren,
Man erfrieret den ganzen Tag auf der strassen, und machet doch



Keinen weeg, und als dan dauret es ein 4 oder 5 Tag nach-
einander. Wir Können auch nicht Versicheret seyn, ob wir nicht gebürge
antreffen, da man uns in dieser rauhen jahrszeit auß dem schnee
schaufflen müste. Es betrachten hochdieselbe nur, so wird
ganz Clar erhellen, das ich mit disen stark Rothgeflekten ge-
sicht bey Keinen hoff erscheinen durffte, auch schwehrlich in
etwelchen gesellschafften das adels, dan es mir niemand glauben
wurde, das es Vermög Meinen Rothen außsehen schon so lang seye,
das ich die blattern gehabt habe. Zu dreßden wurde schon die erste
Prob seyn, da ich die Von dem König hinterlassene Königl. junge
herschafft
nicht wurde sehen Können, und disen Schicksal wurde
ich schon überall außgesezet seyn, was gärten, und lustgebäude
seynd, ist zu diser zeit ja auch zu besehen kein gedanken zu haben.
Mithin ersehen Ihro Gnaden wohl selbsten, was Kälte, beschwehr-
lichkeit, darff auch wohl sagen, und gefahr ich nach Meiner erst
überstandenen Krankheit widerumen zurücklegen müste; welc-
hes, wan man zugegen ist, einen zu diser zeit hart genug ankommet,
da ich doch die ungelegenheiten nicht achte; allein da man bis
über die Knie in das wasser muß, und einen das gefrorne eiß samt
dem wasser in die stieffel fliesset, hernach aber eine 2 stund damit
gehen muß, und da man sich Trockene will, sagt der fuhrman,
ich will fahren, ich muß disen Tag widerumen zu haus seyn,
da erscheinet es wahrhafftig, das einen nicht alzu wohl dabey seye.



Anbey wurde ich zwar an denen Orten gewesen seye, allein
Keinen König, Keinen herzog, Keinen fürsten, und mithin
Keinen hoff gesehen haben, die gesellschafften und den Adel nicht
frequentiret, und Keine lustschlösser oder gärten Können
beobachtet haben, wie schmerzlich dises mir seyn wurde, wan
ich mich dessen erinneren täte/würde, oder einer mich befragen solte,
wie diser herr, jenes lustschlosß außsehe, ob diser hoff brilliant
seye, und man sich da gut frequent divertire, und ich nichts
davon zu sagen wüste, doch aber dorten gewesen, ist Ihro Gnaden
wohl leicht zu ermessen. der König von Pohlen wird auch Villeicht
widerumen in den Sommer, wie die Sachsen bey der armeé ge-
sagt, nacher dreßden Kommen, und der Von Engelland nacher
hannover, so wurde ich auch dise beyde höffe sehen. Nacher Wez-
lär
wurde ich vor halber fasten nicht Kommen Können, und
wan ich mich etwelche Monat alda auffhalten solte, so wurde
ich eben bis in winter widerumen auf die Reise Kommen. dorten
haben die collegia practica schon längstens angefangen, und
mithin Kommete ich zu der Hälfte. Zudeme seynd dise collegia
practica nur pur für jene, so in Reichs sachen sich wollen
gebrauchen lassen, es sagen Vill Von denen hiesigen cavaliers,
mit denen ich geredet, das ihnen Kein zeit mehr reue, alß jene,
so sie zu Wezlär zugebracht, indeme es ihnen jetzt, da sie im
land emploiret, und nicht h ReichsHoffRäth worden seyn, Note: Ø



Note: Øgar nichts helffe, und mithin die angewendete zeit und
das Verzehrte geld umsonst dahin gegangen seien. der Cammer-
President graff Von Sternberg
, alß ich den ersten Tag bey ihme
ware, fragte mich, wo ich mich über winter aufhalten werde,
worauf ich ihme geantwortet, zu Wezlär, so sagte Er, so
will sie dero H. Vatter gewiß zum ReichshoffRath anwenden,
ich antwortete darauf, das ich daran sehr zweifflete, also,
sagte Er, ist es schad für die mühe, zeit und das geld, so sie
dorten Verzehren werden, dan in Keinen andern dicastero
Kan es nichts helffen. Eben dise wort sagte mir der herr Von
Ingelheim
domherr zu Maynz, und Würzburg, ein Sohn
des CammerRichters von Wezlär, welcher mich Von Würzburg
gekennet, alß ich zu Maynz ihme gesagt, das ich nacher Wezlär
gehen wolte, Er ist ein sehr andächtiger Mann, welcher daß lezte-
mahl zu Maynz in der wahl für einen Churfürsten gewesen.
Ich habe zu Würzburg den Zoesium gehöret, und hier hätte ich ihn
eben widerumen; die collegia betreffend, seynd sie hier wohl
Vill besser, alß zu Würzburg, der Professor examinirt Täg-
lich, ohne das er es einem saget sich vorzubereiten, der correpetitor,
so jetzt der beste, ist ein Mann, wie ein Professor, Er repetiret
auch schon mit allen cavaliers, es seynd allein 8 graffen
hier. Und wan ich jetzt auf Wezlär ginge, so täte/würde ich Vergessen



was ich das Vorige jahr erlehrnet, und hier Könnte ich es eben
repetiren, dan ich bin erst 4 Monat davon. der hoffmeister
ware Vor 3 Tagen in collegio, Er Kan nicht genug sagen,
wie sie frequentiret, und was dort für eine aufmerksam-
keit seye. Mithin wäre es mir wohl leyd, wan ich dise zeit
zu Wezlär umsonst sollte zubringen, die ich hier nuzlich
anwenden Kan, oder und will. Ihro Gnaden werden sehen, das ich
Meinen Versprechen nachkommen werde, und gewis die zeit
nicht umsonst Vorbey gehen lassen werde, sondern mich recht-
schaffen appliciren, zudeme ist die Universität auch Catholisch,
und gibet es hier Keine solche Zusammenkünfte Von Studiren-
den cavaliers, alß an denen orten, wo Kein adel, und nur
die Studirenden cavaliers allein seynd, wie leipzig, hall, Mar-
purg
, und diese ort. Wan Ihro Gnaden glauben, das mich
hier der umgang mit dem adel Verhindern solte zu Studiren,
so ist die gelegenheit zu Würzburg wohl weit grösser, da die Gesell-
schaften
schon um 4 uhr anfangen, wo doch alle professores
mit Meiner application zu friden gewesen, und hier will ich
gar leicht zweymahl die woche, wie Ihro Gnaden erlaubet, um
6 uhr mit Meinen Studiren fertig seyn, dan der tag lang
ist, das ich nacher die leut frequentiren kan. Keine Exerci-
tien gibt es zu Wezlär auch nicht, und mithin müste ich



schon einmahl das Reiten, so ich Vor einen heuer zu Würz-
burg
erlehrnet, das erste jahr darauff schon widerumen Vergessen,
wan ich Kein exercitium haben solte, ich darff wohl schreiben,
da ich Ihro Gnaden, alß Meinem gnädigen herrn solches
Vattern solches berichte, das ich zu Würzburg unter elf
der beste Scholar gewesen, wie ich dan auch fast alle
pferd Von 58 so Täglich auf der schull waren, und biß
30 Von denen Campagnie pferden wechselweiß geritten habe, obwohlen
ich nicht sagen Kan, das ich ein perfecter Reuter seye, zu
welchen Vill gehöret, Traue mich doch ein pferd unterdessen
zu Reuten, wie zu Heydelberrg den Rapp des graff breiner, so
er Von den franz Saurau hat, ich bin damit zwischen den ganz
lanthierischen Kevenhillerischen Regiment im glied gestanden, alß sie das
Lauffeuer gegeben, wo er doch nicht recht schusß fest ist.
Und mithin betrübete es mich sehr, wan ich es widerumen
Vergessen müste, dan jetzt ist noch die zeit zu lehrnen, welches
ich gern Thue, wan ich nur gelegenheit habe etwas zu erlehrnen.
Kein fechtmeister ist auch nicht dorten, das muß ich anheuer
nothwendig lehrnen, weilen ich nur 3 Monat bey dem
alten Robin zu gräz gelehrnet, und noch nichts contra
gefochten habe, hier hätte ich eben die gelegenheit am besten.
der bereuter hier hat selbsten 22 pferd, und die cavaliers



schiken Vill dahin. die Depense wird hier nichts
grösser, sondern in Cost und quartier nur Kleiner alß
zu Wezlär seyn, dan ich mich um beyde informiert, die
Meister allein, so ich zu Wezlär nicht haben Kan, wan man
es doppelt zahlte, werden hier höcher Kommen. Was den umgang
der leut betrifft Kan ich hier in einen Tag mehr profitiren,
alß zu Wezlär in 14 Tägen, dan ich die Reicherische grobe art
wohl erfahren die zeit, so ich daroben gewesen. Zu Meinen Trost
Kan ich doch sagen, das der bereuter, und sprachmeister nach
Meiner abreis um mich geweinet, so mir der graff Künigl, so mit
einer zu Würzburg gestanden, bey der armeé gesaget. Es dürfen
Ihro Gnaden an der wahrheit alles deß überschribenen Keinen
geringsten zweiffel, indeme es alles also befindet, dan ich den
Kindlichen respect einerseits nicht überschreitten, andererseits aber
Meine ehre mit unwahrheiten bemakeln werde. da ich nun
forderst durch aus des höchsten gnade, und fürbitte deren heilligen durch
die obachtsamkeit deren Doctoren, und augenblikliche sorgfäl-
tige anstalten des hoffmeisters, welchen lezteren ich Vill zu danken,
da er Vill möchte bey mir gewesen, mich gehoben, und geleget, auch alzeit
bey der nacht aufgestanden, wan ich etwas einehmen muste, obwohlen er
selbsten die blattern nicht gehabt hat, dise Krankheit so glüklich über-
standen, so Kan ich Ihro Gnaden meine darüber spührende Reise freude nicht
genug erklären und nochmahlen Unterthänigst bitten in ansehung
diser Vrsachen mich doch hier zu lassen, es wird Ihro gnaden ehender reuen mich
nach Würzburg, alß Prag geschiket zu haben, dan erstes ein gutes ort lie-
derlich zu werden, wan man nicht sich rechtschaffen in acht einhegt, ich lebe deßhalben
getröster hoffung Küsse dero Hände, ich, und ersterbe ein Unterthanigst Atthembspropria.