16. Leiden, 18. 9. 1736


Ihro Gnaden
Hoch- und Wohlgebohrner Reichs Graff

Gnädiger herr herr Vatter.

1den 6.ten ließ ich aus Amsterdam einen brieff an Ihro Gnaden
frau Mutter abgehen, glaube also solcher wird inzwischen
zu gnädigen handen gekommen seyn, wie auch denjenigen
an Meinen lieben bruder Dismas. den 6.ten seynd wir nach
Saardam, welches wegen windstille etwas lang zu gegangen,
bis wir dahin gekommen. Wir besahen da das dorff, welches wohl eines
der schönsten in Europa gehalten werden Kan. hier ist der gröste
schiffsbau in ganz holland, dan nur die ost-Indische compagnie
allein lässt ihre schiff zu Amsterdam machen. die Reichsten
bauern seynd schiffbauer. Wir giengen zu einen, wo wir ein Neues
Verfertigen sahen, welches Er auf hazard machet, w und als dan
um 20000 f. Verkauffet, dises seye schon das 20.ste, so Er Verfertige,
obwohlen Er noch ein Mann Von 40 jahren ist. Er ware sehr höfflich,
explicirte uns alles mit freuden, und sprache also, das ich ihme noch



das meiste verstand. Er sagte, das ein solches schiff 60000 f. equippirter
Koste, wan Er seine schiff nicht nicht Verkauffen Kan, so miete Er solche
aus, da bekämme Er 4 auch 5000 f. auf ein sommer in dem wall-
fischfang. Jetzt repariret Er eines, so Er Voriges Jahr Verkauffet hat,
woran man sihet, wie es Von dem Eis Verdorben wird. Er Ver-
sicherte uns, das Er das eyß Ville schiffe Völlig zerdrücke. Er führte mich
Völlig oben auf ein Neues, erst angefangenes, wohin ich unten
bey dem Kiel hinein steigen muste, da sahe ich erst, was holz ein
solches schiff brauche, welches man sonsten nicht glauben Kan.
Er bestunde uns, das ihme sein Vatter 6 Verfertigte solche schiff
Verlassen habe, ohne dem holz Vorrath. Es ist hier Vor Kurzen ein
bauer gestorben, so sich Kalff genennet, welcher ein ganze länder Reyse
unter dem Nahmen Baron de Vean gemacht, und alzeit mit denen
Reysenden Cavalieren in der compagnie gewesen, auch zu Rom öfter
Taffel gehalten hat. Les Memoires du Baron de Pölnizce fameux
avanturier beschrieben sein ganzes leben. Er hat einen seinigen
Vettern als dem Universall Erben 16 Tonnen golds Verlassen. Um
dises dorff stehen 853 windmühlen, welche meiste holz schneiden,
wan sie alle lauffen, so muß man wohl ein halbe stund davon
sein eigenes wort nicht hören. Im weg fahren bekammen wir con-
traire wird wind, so uns über 4 stund auf der See aufgehalten.
den 7.ten nach gehörter Hl. Messe besuchten wir die schönsten Refomirten,
und Evangelischen Predigen, als dan Kammen wir auch in die griec-
hische Kirchen, worinnen sie eben im gottes dienst begriffen waren,
Sie seynd aber nicht uniti, oder tolerati. Endlich Kammen wir
auch zu denen Quäkern, da Predigte eine alte frau in aller



andacht, und heiligkeit, diese Sekte ist aber sehr schwach. der Tempel
deren Portugesischen Juden ist doch auch eines deren schönsten Ge-
bäude
in Amsterdam. da sahen wir die schull, wo die buben
singen lehrnen, und zu lezt Kamen wir zu einer Disputation,
wo ein Rabiner presidiret hat. den 8.ten besahe ich das Rasphuis,
wo ich auch Raspeln muste, dan uns der dortige Antiquaire
Versicheret, der herzog von lothringen, und Prinz Von oranien
haben auch geraspelt. Ich ware dabey sehr content, das mich dise
consequenz nur auf 10 oder 12 zug obligiret hat. Nach disen
gingen wir in das Admiralitäts-haus, Von welchen ich sehr lang zu
schreiben hätte, wan ich solchen allen gedenken solte, muste also nur
den grossen Vorrath von denen Seegeln, striken und allen nöthigen schiffs
gezeug wie auch die dazue gehörige Armatur bewundern. Als dan
führten sie uns in einer chalouppe auf das grösste Kriegs schiff mit
dem Nahmen: Amsterdam, so Von 18( 108 Canons, da besahen wir
alles mit Verwunderung und erstaunen, dises ware auch eines
jener dingen, so ich mir nicht also Vorgebildet hätte. den 9.ten
gingen wir nach Haarlem ab, wo wir in 3 stund waren. diser
weeg ist nicht mehr so angenehm, dan man lauter Wiesen durch-
schneidet. zu haarlem ist nichts zu sehen, dessentwegen fuhren wir
auch also gleich hieher ab. anderen Tags ginge ich zum Vitriario,
so mich sehr höfflich empfangen, wie Er dan auch der liebste Mann
ist, so man sehen Kan, deme Keiner in der guten art, mit welcher
Er expliciret, beikommt. Um 8 Uhr habe ich dem correpeditor.
Um 9 Uhr ist das ius publicum, so wir diser Tagen anfangen
werden, dise Stund wechßlet Er mit der Capitulation Caroli 6.ti



ab. Um 11 uhr ist das collegium Grotij ad ius naturae et gen-
tium. Und um 12 uhr gehe ich zum Gravezande, so Pro-
fessor Mathesis ist, diser gibet physicam experimentalem, dan
Er zeiget alles physicé, was Er uns expliciret. heut haben wir
Machinen zu hochen gebäuen gehabt, da hat Er 50 pfund mit
einen haar aufgehoben, und mithin saget Er uns die proportiones,
item wie man einen stein oder baum mit dem 16.ten Theil de contre
poid
aufziehen Kan. Seine eigene instrumenta Kosten über
20000 f., Er ist aber so curieux, alß man seyn Kan, Er gibet
auch publice collegia, wo Er die instrumenta universitatis hat.
Um 1 uhr speisen wir. Weil ich nachmittag eine stund frey habe,
so werde ich I mit Ihro Gnaden erlaubnus einen Ingenieur Kommen
lassen, damit ich Von der Architectur auch etwas wisse. der
französische missionarius ein Carmeliter ist auch ein sehr
wackerer Mann, Er hatte die Erste Canzel zu Paris gehabt und
sonsten ist er auf des Vitriarij sein art, dan beede seynd ausser
ihrer Sphaera sehr angenehm, dan der Vitriarius ist Kein Pedagoge,
und der Pere Paul hat nichts Pfäffisch an sich. Seine Predigen
seynd alle zum druken, Kommen auch alzeit Ville reformirte
und lutheraner hinein. Zu londen befürchtet man eine revolte, weil
man dem Genevre, jenen Englischen Branntwein also gesteigert hat, das ihn noch der
wirth außschenken, noch der gemeine Mann Trinken Kan. die garde ist Verdoppelt,
in dem Parc campiren etliche Regimenter, und sowohl bey Tag, als Nacht patroni-
liret die Cavallerie compagnie-weiß in der ganzen stadt. dieser Tage gehet der
König hier unweit Vorbey nach londen. Ihro gnaden sowohl als Ihro Gnaden
Meiner gnädigen frau Mutter Küsse ich die hände, empfehle mich Unterthä-
nigst zu beyderseits gnaden, und ersterbe.

Euer Gnadn
Unterthänigster Sohn
Meines gdigsten hern Vatters
IgnatiusGraffVonAtthembsPropria

P. S.

1Meinen geschwestert empfehle
mich franz anthonerl