17. Haag, 28. 9. 1736


Ihro Gnaden
Hoch- und Wohlgebohrner Reichs Graff

Gnädiger herr herr Vatter.

1Erinnere hoch denenselben, das wir den 11.ten dises
abends in einen so genanten passagiers Nachen
Von Maynz abgefahren, unweit der stadt Bingen,
wo die franzosen Noch gegen Ende lezter campagne
das haubt quartier hielten, ist das zum Theil gefähr-
liche binger loch zu passiren, wie auch der Mäuß-
Thurn
zu sehen, die Vestung Rheinfels liget eben
am weege, wo wir aber nichts, als die parade sahen.
Weilen wir nun guten wind hatten, so kammen wir
den 12. gegen 4 uhr Nachmittags in Coblenz an, besahen
auch noch selben abend die résidence des Churfürsten
Von Trier, so anderer seits des Rheins im Thal liget,
beschauet, sie ist wegen des Kriegs Völlig demeubliret.
den 13.ten speisete ich bey den graff Von der leye, welcher mich
mit dem wagen bedienen liesse, Er ist ein Mann Von 84 jahren



aber noch sehr bewegsam, sie ist eine Schönbornin,
schwester Vom bischoff von Würzburg, Sie erinnerte sich,
ds Ihro Gnaden Vor etlich 20 jahren da durchgerey-
set seynd. der junge ist der liebste cavalier, so man sehen
Kan, seine frau ist eine Hazfeldin aus schlesien. Nach-
mittag führte Er uns zu einen exercice, so die Kunst-
stäbler hielten, ich warf auch eine Bombe. Ab Wir
Souppirten wir auch da. den 14.ten gabe Er uns seinen
zug, um auf die Vestung Ehrenbereitstein zu fahren,
welcher wir dan mit Viller Verwunderung besehen,
dan man sie, absonderlich wegen deren Neu ange-
legten werkern, fast für uneinnehmlich halten
Kan. selben abend gingen wir noch nacher Cöln ab,
auf dieser route fällt nichts merkwürdiges Vor, aus-
genohmen das résidence schlosß in Bonn, so recht
magnifique meubliret ist, obwohlen das Gebäude an-
noch fast nur halb Verfertiget ist. Selben Nachmittag
Kamen wir noch in Cöln an, besahen auch noch die
Reliquien von der H. Ursula, und ihrer gesellschafft.
den 16.ten Früh giengen wir nach Brühl des Churfürsten
lustschlosß, so Bonn in der magnificence noch übertrifft,
das gebäu, und der garten, seynd noch nicht verfertigt,
Eine ¼ stund davon ist falken lust, wo Er zu zeit der
Reiger-/Reiher-Beize ist. das gebäu bestehet aus einem Kleinen Pavil-
lon, und zwei flügeln, so besonders wohl aus sihet,
die meublen seynd nicht so magnifique, als in denen zwey
anderen schlössern, aber Von einen besonderen goût, auf
allen Vazen, in allen Capitelen, in allen fenster einfassungen



und wo es immer möglich, seynd falken, ihre hauben
oder ein Reiger zu sehen, die meublen Correspondiren
Völlig mit ihrer Peiz uniforme, so blau ist, mit silber,
und blauen borten, wie das wappen Von Bayern, so-
gahr die borten auf dem bett, seynd galonen, oder band
so zu Paris dazue Verförtiget worden, worauf ein falk,
wie Er den Reiger stößt zu sehen. Weil wir Keinen
domherrn bekommen konnten, so uns die H. 3 König
zeigen solte, musten wir also den 17.ten abreysen.
Selben abend langten wir in düsseldorff an. die Statua
des Vorigen Pfalzgraffen, so auf den Plaz auß Erz gegossen
stehet, ist wegen besonderer zeichnung würdig zu betrachten,
die gallerie aber eine deren merkwüdigsten stüken, so
ich noch auf meiner bishero gemachten Reyse angetroffen
habe. das ganze grosse zimmer Von Rubens ist gewis ein
Kostbahres Stück. die Statuen, so unter der gallerie stehen,
seynd von besonderer zeichnung, wie auch der Brunnen Von
Erz in dem hoff. Von hieraus bekammen wir contraire
wind, langten auch erst den 19.ten in Wesel an, und
zwar eben zur zeit, da die parade aufzoge bestehend
in 700 Mann, ich sprache da mit der Generalität, weilen
ich nun zu Berlin gewesen, wuste ich mit ihnen schon
zu sprechen, welches wohl nur über das militaire couliret ist.
Wir Kammen mit guten wind selben abends in Emerich
an, so noch Preussisch ist, den 20.ten hatten wir solchen contraire
wind, das der schiffer gesagt, Er fahre Keines wegs vom land.
den 21.ten nach gehörter H. Meesse bey denen P. P. Jesuiten, gien-
gen wir mit guten wind ab, bey der berühmten schenkenschanz
bekammen wir contraire wind bis gegen Nimwegen.



wo wir doch abends anlangten. den 22.ten giengen wir
mit einen Kauffmans schiff, so unser glük ware,
mit Vollen segeln ab, die meiste ladung ware Bier
für die städte, so bis Rotterdam ligen, Nachmittag, gabe
es solchen sturm, das der grosse Mast baum, so weit über
Mans dik gewesen, sich fast boge, und das schiff Völlig sich
zu legen angefangen, auf diese minuten waren
alle segel herunten, und deren ankern drei geworffen.
Wir bliben ligen über 6 stund, fuhren aber darnach
d da es zimlich calme worden nach dortrecht ab, wo
wir doch den 23.ten spat abends eintraffen, die statt ware
geschlossen, wir land luden die waaren aus, und fuhren
die nacht fort, das wir also um 3 uhr Vor den hafen waren,
um 6 uhr lieffen wir mit 65 grossen schiffen im
haafen ein, da habe ich mich in einer anderen welt
geglaubet, ich besahe da den bau der Kriegschiffen, und
gienge Von 6 bis halbe 1 uhr in der stadt herum, speisete
da, und gienge in einen d so genanten Trekschuit
nach haag ab, zu delfft stiege Von einen schiff in das
andere, sahe also nur die stadt in durchgehen. Wir logiren
à l´hôtel de Frise, und essen an parlament d´ Angleterre
der Prinz Wilhelm Von hessen ist hier, wo ich heut unfehlbahr
speisen werde, ich Kan sagen, das Er mir besonders gnädig in
Cassel gewesen. der Prinz Von oranien ist Vorgestern ange-
kommen, es ware eine acclamation des peuple, als ob die
stadt mit sturm übergehen wolte, ich wuste disen gebrauch
nicht, und Kammen gleich zuvor Von schefflingen, wo ich das
Meer in Reflux/Rückfluss gesehen, also glaubte ich das ganz haag brenne.
der Vitriarius hat gesagt, es freue ihm einen Sohn seines discipul
zu bekomen Mithin dero händ Küssend zu Vätterlichen Gnaden ersterbe

Untertänigster Sohn
IgnatiusGraffAtthembs