29. Paris, 26. 9. 1737


Ihro Gnaden
Hoch- und Wohlgebohrner Reichs Graff

Gnädiger herr herr Vatter. etc.

1Erinnere hochdenenselben, das ich seit dem
lezten schreiben, so ich in Unterthänigkeit an
Ihro Gnaden abgeschiket habe, habe ich Ville palais
hier besehen, alß das palais royal, so der Duc
d’Orléans
bewohnet, ich habe noch Keine bessere Gallerie
gesehen alß dise, und Komet mir Vor, es übertreffe
solche noch die düsseldorffer. das hôtel de Toulouse
übertrifft selbes aber in| goût Von Meublen, die
fenster seynd in form Von Nichen, und die



flügel machen sich mit grossen eysernen
ressorts auf. Alle Pfeiller seynd mit spiegeln Verklei-
det, so alle blat an die wand gesezet seynd. die Gallerie
ist etwas Königliches, die fenster seynd groβ und mit
sehr grossen spiegelglaβ Versezet. denen fenstern gegen
über seynd eben dergleichen bögen, so Völlig mit rechten
spiegeln Verkleidet seynd, das also alles, waβ Vor dem
fenster ist, in denen spiegeln etworffen wird. die pfeiler
halten beyderseits bilder Von besten Meistern auf sich;
das plafond ist gemalt, die wände übrigens Von der
schönsten bildhauerarbeit, so Vergoldet ist. der Camin ist
Von unterschidlichen marmor, wovon die Zierrate
alle Von Vergoldeten bronze, der fuβboden ist eingelegt,
man Kan nichts schöners sehen, alß alles dises zu-
sammen correspondiret, so alles aber auch sehr Vill
Kosten muβ. das hôtel de Bourbon ist sehr Kostbahr,
worinnen aber alle zimmer weiβ mit Vergoldeten zierathen.
dises übertriffet alle andere in Sessel, canapées, und



und kristallenen leuchtern, wovon der schönste
400000 livres Kostet. Vor zwey Tagen sahe ich auch das
hôtel de Boignier, so Capitain des chasses du Roy ist, sein
groβVatter ware ein bub, so die ballen aufklaubete,
mit welchen man hier pfleget in der freye zu spillen.
die meubles seynd sehr Prächtig, unter andern seynd
etlich Rariräten Cabinet, deren man nicht Ville besser
boder so gut bey einem particulier sehen Kan.
das erste zimmer hält/enthält in sich Ville Machinen Von
der méchanique, alß deren man sich bedienet bey Gebäuden,
obelisquen aufzusezen, in wasser gebäuen, dan aller-
hand mühlen, dan Ville Instrumenten auβ der optique,
statique und anderen theilen deren Mathematischen wissen-
schafften. Beynebenst die Modelen Von denen schönsten
gebäuen in frankreich. das anderte zimmer ist Von Muscheln,
papillons, gewächsen, und petrificirten sachen. das
dritte eine drechselbank, mit allen gehörigen Instrumenten
sehr Kostbar. das Vierte eine collection Von allen saammen,
welche man finden Kan. das fünfte zimmer ist



eine Chymische Apoteke, und das lezte eine laborato-
rium dazue, so sehr sauber ist. die art, mit welcher
alles rangiret, ist nicht zu beschreiben. Übrigens ist fast
das ganze apartement mit boiserie, wie man es
jetzt in ganz frankreich machet. Obwohlen das lez-
teres Ville andere hôtels ub in der magnificence
übertreffen, so ist doch dises wegen artlicher anord-
nung und auβzierung, wie auch abtheilung
nach Meinen goût das schönste. der König ist den
23.ten nach Fontainebleau abgereiset, gestern der Dauphin,
und heut folget die Königin, ich will auch Morgen,
um solches zu sehen, dahin abgehen. Man saget hier
Vor gewiβ, das die Heirat zwischen dem Don Carlos,
und der ältesten Tochter der Churfürsten in Bayern
solte geschlossen seyn. dises solte die Ursach seyn, warumen
der Prinz Theodore Von 3 Monaten hier gewesen seye, und
der graff Törring hieher geschiket worden, welcher noch
jetzt
hier ist, dan die ganze affaire wird durch den
hiesigen hoff negociret. Ihro Gnaden der frau Mutter
Küsse ich nebst Ihro Gnaden Unterthänigst die hände,
empfehle mich zu Vätterlichen gnaden, und ersterbe

Euer Gnaden Meines gnädigen Herrn Vatters

Unterthänigst Sohn
IgnatiGraffVonAtthembspropria