19. Leiden, 7. 12. 1736


Ihro Gnaden
Hoch- und Wohlgebohrner Reichs Graff

Gnädiger herr herr Vatter.

1die hl. Weihnachtsfeiertage nähern sich, und der
gewöhnliche Jahrs wechsel folget selben, dannenhero
fordert es Meine Kindliche pflichte, Ihro Gnaden der-
gleichen abänderungen mit höchster zufridenheit, und
beständig fortwehrender gesundheit zu Meinen Trost
ohne zahl zu erleben anzuwünschen, und Vnter-
thänigst zu Bitten mich stets in hochen Vätterlichen
gnaden zu behalten. Für erstere werde ich dem gütigen
himmel immerfort anflehen, leztere aber zu Verdienen
mich fernershin befleissen.


2den ersten dises ist der gros Pensionaire deren Staaten
herr Von schlingenland ganz plötzlich mit Tode abge-
gangen, da Er noch Vorigen abend gesellschafft bey sich
hatte. Er ware der zweyte widersacher des Prinzen Von
oranien
. den 4.ten dises Früh Verstarbe auch der Pre-
sident deren Staaten, und premier noble herr Von
Boetßlär
. Selber regierete alle siben Provinzen,
spilte fast einen souverain, dessentwegen man ihn
auch dem Prinzen Von holland nannte. Er ware der-
jenige, so dem Prinzen am meisten zu wider gewesen.
Er hatte einen solchen haß gegen ihme, das Er ihme Vor
einiger zeit gar nicht sprechen wolte; Man praesen-
tiret Keinen Prinzen das gewehr in dem haag, der
Boetslär machte so gar die garde zu pferd heraus-
Tretten, wan Er Vorbey fuhre. dessen allen ungeachtet
schikete der Prinz doch Täglich Viermahl in seiner lang-
wierigen
Krankheit zu ihme. dise zwey so geschwind
einander gefolgte Todesfälle durfften dem Prinzen



wohl den weeg zur Stadhalterschafft erleichteren.
Über dises nun unterhaltet sich ganz holland.
Jetzt Kommet ein anders project Vor, wie der Prinz
Von oranien
zur Stadthalterschafft gelangen könnte,
und zwar das der König Von Engelland dem
König aus Preussen ersuchet hätte, seinen schwi-
gersSohn dazu zu helffen, Er wolte ihme hingegen
wegen der succession gülich, und Bergen Treulich
beystehen; wegen disen sollte auch der König Von
Preussen
schon an die Staaten geschriben haben.
Jene, so die animosität des Königes Von Engelland gegen
dem König auß Preussen Kennen, wollen alles dises
noch im zweiffel stellen. die Prinzessin Von ora-
nien
solte gestern schon einige anmahnungen
der Niederkunft gehabt haben, wan unß ein Erzherzog
solte gebohren werden, so könnte man nicht grösseres
Verlangen darnach haben, als die wohlgesinten



zeigen, in denen caffée häusern höret man
sie hefftig disputirn. die Englländer solten
wider das lange außbleiben ihres Königes artlich
raisonniren, mit brieffen Von londen hat man,
das man da ganz offentlich spreche, der König
liesse sich in Hannover Von einer gewissen Krank-
heit curiren. Vor etlich Tägen ist ein zug Von
8 Stück apffelschimmel hier passiret, so dem Prinz
Von oranien
gehörig, es seynd friesländer hengsten,
ich habe in Meinem leben Keine grössere, und auch
schönere pferde gesehen. dises ist alles neues, mit
was ich Ihro Gnaden auß leiden bedienen Kan,
mithin will ich schliessen, Ihro Gnaden hände
Küssen, und mich zu hochen Vätterlichen gnaden
Unterthänigst empfehlen, der ich ersterbe

Euer Gnaden
Meines gnädigen herrn herrn Vatters

Unterthänigster Sohn
IgnatiusGraffVonAtthembsPropria